Dagmar von Chappuis
Dagmar von Chappuis wurde 1957 geboren. Sie studierte Theaterwissenschaften und arbeitete von 1982 bis 1995 als Regieassistentin. Seit 1996 führte sie dann in zahlreichen Fernsehproduktionen selbst Regie. Unter anderem in Serien wie "Hinter Gittern", "Im Namen des Gesetzes", "SOKO Leipzig", "Nesthocker", "Schlosshotel Ohrt", "Die Fallers" und natürlich nicht zu vergessen bei der "Küstenwache".
Ich selbst hatte schon die Gelegenheit, unter der Regie von Dagmar von Chappuis als Komparse bei der Küstenwache zu "arbeiten". Sie ist immer geduldig, ausgeglichen und sachlich bei ihrer Arbeit und man merkt, dass das gesamte Team sehr gerne mit ihr arbeitet. Immer wenn ich mal an das Set kam, um für die Fanpage zu berichten, wurde ich von ihr immer freundlich mit den Worten empfangen, "da kommt die Internetpresse". Ich freue mich sehr, dass Dagmar von Chappuis die Zeit gefunden hat dieses Interview zu realisieren. Und nun viel Spaß beim Lesen.
J. Plötzner: Hallo Dagmar, Deiner Vita habe ich entnommen, dass Du Theaterwissenschaften studiert hast. Wolltest Du schon immer zum Film oder zum Theater?
D.v.Chappuis: Zum Theater! Dass man zum "Film" gehen kann, wusste ich mit ca. 5/6 Jahren gar nicht. Ich bin groß geworden mit herumfahrenden Marionettenbühnen, deren Vorstellungen ich zweimal im Jahr besuchen konnte. In den Nachmittags-Märchenvorstellungen staunten nicht nur wir Kinder über das "Tapfere Schneiderlein"oder "Hans im Glück", natürlich kamen auch alle Erwachsenen. Und am Abend sahen wir dann gemeinsam "Othello"
Sehr früh gab es also schon die Bühne, die mich faszinierte. Aber bis aus den 1-Meter großen Marionetten endlich lebendige Schauspieler geworden sind, vergingen noch etliche Jahre...
J. Plötzner: Von 1976 bis 1994 hast Du dann als Regieassistentin gearbeitet. Wie wichtig war Dir diese Arbeit, bevor Du dann 1995 selbst Regisseurin geworden bist?
D.v.Chappuis: Es hat mir vor allem Spaß gemacht! Mit den Filmprojekten war ich in Ländern, die ein Traum in jeder Urlaubsplanung sind. Und ich habe in diesen Jahren interessante Menschen kennengelernt. Also gelebt und gelernt. Ach ja, und dann habe ich auch noch meinen Regisseuren auf die Finger geguckt. Und als ich merkte, dass es nichts mehr zum Gucken gibt und der Spaß aufhört, dann bin ich selbst Regisseurin geworden.
J. Plötzner: Du hast schon in einigen TV Produktionen die Regie geführt. Ist jede Produktion eine neue Herausforderung?
D.v.Chappuis: Natürlich. Es sind doch immer wieder neue Drehbücher, neue Schauspieler, ein neues Team. Es ist ein neuer Film! Darauf muss man sich einstellen.
Wenn irgendwann die Zeit kommen sollte und ich abgeklärt und ohne Schmetterlinge im Bauch einen neuen Film anfangen will, dann lasse ich das Ganze sein und mach eine Currywurstbude auf! (Ich hoffe, das wird nie passieren!)
J. Plötzner: Du hast mittlerweile in vielen Episoden der Küstenwache die Regie geführt. Gibt es Situationen oder Momente, die Dir sofort in Erinnerung kommen, wenn Du an die vielen KüWa Drehtage denkst?
D.v.Chappuis: Traumhafte Sonnenuntergänge zu jeder Jahreszeit! (die sind am schönsten, wenn das Tagespensum geschafft ist und wir auf der Rückfahrt zum Hafen ...)
J. Plötzner: Wenn Du ein Drehbuch liest, hast Du dann schon gleich eine Vorstellung, wie Du den Film drehen möchtest?
D.v.Chappuis: Das muss wachsen. Dafü nehme ich mir Zeit. Ich denke darüber nach, welche Schauspieler ich mir für die Rollen vorstellen kann. Und haben die Schauspieler dann Gefallen an dem Drehbuch gefunden und zugesagt, dann bekommen plötzlich die geschriebenen Texte auch ein Gesicht! Und so kommt Eins zum Anderen. Die Drehorte, die Requisiten, die Kostüme ... die vielen Gespräche mit Schauspielern und Team, und dann steht der Film vor mir und muss noch gedreht werden.
Dagmar von Chappuis bereit sich auf den nächsten Szenen-dreh in einem leeren Schwimmbecken vor.
J. Plötzner: Wie lange an Vorbereitungszeit brauchst Du vom Lesen des Drehbuches, bis es dann zum Dreh kommt?
D.v.Chappuis: Das hängt sehr vom Film ab. Bei der "Küstenwache" sind vier Wochen für mich optimal. Würde ich alleine einen Film vorbereiten müssen, dann bräuchte ich sicher 1 Jahr. Zum Glück gibt es ja ca. 30 qualifizierte Mitarbeiter, die auch wollen, dass ein Film entsteht.
J. Plötzner: Wie wichtig ist der Regieassistent bei einer Produktion?
D.v.Chappuis: Sehr, sehr wichtig. Würde man auf ihn verzichten können, gäbe es diesen Beruf schon längst nicht mehr. Der Regieassistent (oder die Regieassistentin) ist das Bindeglied zwischen Regisseur und allen anderen Gewerken beim Film. Hat der Assistent schlechte Laune, ist auch das Team schlecht drauf...
J. Plötzner: Sind Außendrehs immer eine größere Herausforderung als Drehs im Studio?
D.v.Chappuis: Ein Dreh im Studio ist kalkulierbar. Beim Außendreh kommt es immer wieder zu Überraschungen. Große Freude macht zum Beispiel ein Presslufthammer, der den Gehweg aufreißt, den man vor einer Woche zum Drehort bestimmt hat. 30 Leute plus Schauspieler stehen davor, der Tonmeister bekommt einen Anfall, der Aufnahmeleiter telefoniert wild herum, Regisseur und Kameramann überlegen sich schon Alternativen und dann kommt der Requisiteur, stellt den Bauarbeitern eine Kiste Bier hin und überredet sie zu einer mehrstündigen Pause und wir fangen mit dem Dreh an... (manchmal klappt es)
J. Plötzner: Wie hast Du die Arbeit mit der KüWa Filmcrew empfunden?
D.v.Chappuis: Professionell. Und so macht Arbeit Spaß, denn Arbeitszeit ist Lebenszeit!
J. Plötzner: Suchst Du als Regisseurin später die Filmmusik aus und welche magst Du besonders?
D.v.Chappuis: Es gibt immer einen Komponisten. Mit ihm bespreche ich meine Vorstellungen. Und dann geht er ans Werk... Ich liebe die Musik von Ennio Morricone und Goran Bregovic. Götter der Filmmusik!
J. Pltözner: Es wird ja mehr gedreht, als später im Film gezeigt wird. Nach welchen Kriterien entscheidest Du Dich für bestimmte Szenen, die im Film bleiben, zu den Szenen, die herausgeschnitten werden?
D.v.Chappuis: Alles muss der Geschichte dienen. Und eine Folge bei der KüWa hat ja auch eine festgelegte Länge. Es blutet schon manchmal mein Herz... Letzte Woche im Schneideraum, beim Schnitt der ersten beiden KüWa-Folgen, musste ich mich von einer Szene trennen, in der Du, Jürgen, als Protokollant mitgespielt hast. Du erinnerst Dich vielleicht: bist mit Deisenroth in den Verhörraum gekommen. Auf diese Szene konnte ich aus Längengründen verzichten, ohne die Geschichte zu beschädigen. So ist es halt.
J. Plötzner: Würdest Du Deine Arbeit als "künstlerisch" betrachten?
D.v.Chappuis: Ja.
J. Plötzner: Gibt es später im Schneideraum Momente, wenn Du den noch nicht fertig gestellten Film siehst und Du Dir dann sagst: "Das eine oder andere hätte ich doch anders machen sollen"?
D.v.Chappuis: Diese Momente sind sehr häufig. Man kann doch immer was besser machen! Hast Du schon einmal am Strand eine Sandburg gebaut und irgendwann laut gerufen "fertig"? Sicherlich bist Du gehindert worden, auch noch die restlichen Urlaubstage mit Buddeln zu verbringen....
J. Plötzner: Siehst Du Dir "Deine" Filme später im Fernsehen an?
D.v.Chappuis: Wenn ich nicht gerade etwas anderes drehe, ja, sehr gerne.
Am liebsten gucke ich dann mit Freunden. Eine Filmparty findet statt, mit Popcorn und vielen alkoholischen Getränken. Es ist schon ein gruselig schönes Gefühl einen Film zu sehen, den man in- und auswendig kennt und den genau in diesem Moment vielleicht noch 1000 (?) Andere sehen. Und dann fallen mir wieder die vielen Geschichten ein, die beim Drehen passiert sind... und die Texte kann man mitsprechen ... und man lacht schon, bevor der Gag kommt...
J. Plötzner: Würdest Du gerne wieder für die Küstenwache drehen?
D.v.Chappuis: Im August werde ich wieder in Neustadt sein. Für zwei neue Folgen. Und ich freue mich riesig. Dann bringe ich auch das gute Wetter aus Berlin mit...
J. Plötzner: Wie findest Du das Interesse der Fans an der Serie? (Immerhin haben wir im Forum mittlerweile 72 Mitglieder aus Deutschland, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz, sowie fast 24000 Besucher auf der Fanpage in einem Jahr!)
D.v.Chappuis: Großartig! Ohne Euch und all den anderen Zuschauern würde es die "Küstenwache" gar nicht geben!!! Wir könnten uns nur noch Werbung angucken! Ihr seid irre engagiert, wissbegierig und kreativ! Ich will immer nur ganz kurz auf Eure Site gehen, und dann sind wieder Stunden weg! Überall muss ich schmökern. Lese auch die Kritiken sehr gründlich! (und denke darüber nach!). Bleibt der "Küstenwache" weiterhin treu!!! (und ich verspreche, dass Jürgen bei meinen Drehs immer der Protokollant sein wird!)
J. Plötzner: Liebe Dagmar, vielen Dank für dieses Interview. Ich wünsche Dir immer gute Drehbücher, denen Du mit Deiner Arbeit "Leben" einhauchen kannst. Ich freue mich schon sehr auf ein Wiedersehen bei der "Küstenwache". Gruß Jürgen
Vita-Infos von: www.etzundwels.de