Interview mit dem Schauspieler Michael Gahr

Michael Gahr

J. Plötzner: Guten Tag Herr Gahr. Ihre Vita liest sich wie ein Roman. So wirkten Sie in unzähligen Film-, Fernseh- und Bühnenstücken mit. Was bedeutet Ihnen die Schauspielerei?

M. Gahr: Immer noch sehr viel, obwohl die großen, jungen Bühnenrollen hinter mir liegen. Denken Sie bitte daran, dass es auch in dem klassischen Repertoire wenige gute Rollen für Ältere gibt. Gerade heute rief mich ein junger Schauspieler aus Chemnitz an (ich spielte mit ihm vor drei Jahren in Memmingen), ein ganz liebenswerter Mensch und ich wurde ein wenig traurig und wehmütig als er mir von den herrlichen jungen Rollen erzählte (Ferdinand aus "Kabale und Liebe", Mercutio aus "Romeo und Julia", Marquis Posa aus "Don Carlos" u.s.f.), die vor ihm liegen. Nun! Vorbei, ich habe es gehabt. Bei den Fernsehrollen ist es ja nicht viel anders: Die Rollen werden immer schwächer, immer kleiner; aber ich bin sehr dankbar, dass ich von den Producern und Regisseuren nicht vergessen werde. Wenn ein Älterer im Drehbuch steht und er auf meinen Typ passt (also schon ein wenig skurril und nicht so smart wie Sky Dumont) bekomme ich die Rolle. Das ist schön. In "Sturm der Liebe" spiele ich den Priester und es ist so schön mit den jungen Leuten zu drehen. Judith Hildebrandt zum Beispiel ist so zauberhaft! Meine tolle Zeit ist vorbei: Meine schönen Film- und Fernsehrollen drehte ich von 1982 -1989 bei Michael Verhoeven ("Das schreckliche Mädchen", 1987) oder Polt ("Man spricht deutsch") und ganz besonders bei Marcus Scholz ("Vertrauen gegen Vertrauen", "Helga und die Nordlichter" zum Beispiel) und Berengar Pfahl, abenteuerlich und lange.

J. Plötzner: Wollten Sie schon immer Schauspieler werden?

M. Gahr: Ja!

J. Plötzner: Wie viele Jahre sind Sie schon Schauspieler?

M. Gahr: 46 Jahre lang- es gab allerdings auch Krisen, die ich nicht bedauere. 1966 hatte ich so die Nase voll vom Stadttheaterleben (alle zwei Wochen eine Premiere in der Hauptrolle!), dass ich für ein halbes Jahr lang eine Stelle als Hauslehrer direkt an der Ostsee auf Gut Hohenhain annahm. Ich hatte am Tag drei Stunden Nachhilfeunterricht zu erteilen, den beiden Söhnen des Guts und ansonsten las ich am brausenden Meer Dostojeweski und Kierkegaard. Was für eine herrliche Zeit.

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Quelle: ZDF Foto: Uwe Ernst

J. Plötzner: Was ist für Sie das faszinierende an der Schauspielerei?

M. Gahr: Der Umgang mit wunderbarer Literatur! Als ich nicht Schauspieler werden durfte, wollte ich wenigstens als Lehrer mit jungen Menschen die Literatur durchforsten.

J. Plötzner: Was haben Ihre Eltern zu Ihrem Berufswunsch, Schauspieler zu werden gesagt?

M. Gahr: Siehe oben: eine mittlere Katastrophe. Ich habe heimlich Unterricht genommen; habe dafür schon als 16-Jähriger gejobbt, meistens auf Baustellen in Berlin, da es da das beste Geld gab; aber auch als Nachhilfelehrer.


J. Plötzner: Wie vereinbaren Sie Ihren Beruf mit einem Familienleben?

M. Gahr: Meine Frau, Gisela Traut, war selbst eine anerkannte Schauspielerin, bis sie 1982 schwer erkrankte. Ich habe sie 1963 als Eve kennen gelernt im "Zerbrochnen Krug", in Ingolstadt. Die Zeit von 1975 bis 1982 war besonders für mich sehr schwer, für sie sicher auch, da jeder woanders seine Aufgaben hatte. Wir waren monatelang getrennt im Jahr. Ich drehte und synchronisierte in München, sie spielte bei Barlog und Valerie von Martens ganz woanders Theater. Das war sehr, sehr schwer. Aber wir sind heute noch zusammen und lieben uns. Sie schreibt wunderbare Bücher.

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Quelle: ZDF Foto: Uwe Ernst

J. Plötzner: Als Schauspieler haben Sie unter der Regie von Berengar Pfahl sehr viel von der Welt gesehen, wo hat es Ihnen am Besten gefallen?

M. Gahr: Schwer zu beantworten, da ich durch Berengar eben nicht als Tourist die Welt sah, sondern da dieser wunderbare Regisseur auch mittenrein ins Elend ging mit seinen Filmen, zum Beispiel in der Serie "Die Golgowskis". So sah ich in Algerien wie Kamele zugerichtet werden. Diese entsetzliche Quälerei. Ich konnte Wochen nicht mehr schlafen! Im Senegal übernachteten wir neben einem Schlachthaus. Ich dachte, ich werde wahnsinnig bei dem Schmerzensgeschrei. Und du bist hilflos, ohnmächtig. Ich erinnere mich noch, wie ich einen kleinen Esel vorm Schlachthaus retten wollte, mit Berengars Hilfe. Am besten hat es mir an der Ostsee gefallen, in Damp, wo wir 2 Monate lang "Die Golgoswskis" zuende drehten.

J. Plötzner: Wie halten Sie sich für ihren Beruf fit?

M. Gahr: Leider gar nicht. Da ich immer etwas zu lernen habe, wandere ich beim Lernen.

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Quelle: ZDF Foto: Uwe Ernst

J. Plötzner: Was machen Sie in Ihrer Freizeit am liebsten?

M. Gahr: Lesen, leider viel zu wenig, da mir das Lernen auch immer schwerer fällt. Ich lese spirituelle Literatur. Zum Beispiel zur Zeit "Jetzt" von Eckhart Tolle. Wunderbar!

J. Plötzner: Wo leben Sie als Privatmann?

M. Gahr: München

J. Plötzner: An welchen Produktionen arbeiten Sie zur Zeit?

M. Gahr: In der nächsten Woche drehe ich eine schöne Episodenrolle in "Mit Herz und Handschellen", "Fünf Freunde". Und dann beginne ich am neu gegründeten Stadttheater Schwetzingen mit dem Drei-Personen-Musical  "Der Duft der Kastanie". Hoffentlich schaffe ich den Text.

J. Plötzner: In der Fernsehserie Küstenwache haben Sie schon einmal in Folge 57 mit dem Titel "Die letzte Fahrt" mitgespielt. Wie haben die Dreharbeiten zu "Rendezvous mit dem Tod"unter der Regie von Florian Froschmayer gefallen?

M. Gahr: Sehr schön, ganz besonders durch den Regisseur Florian Froschmayer. Er ist so tolerant, ist so selbstsicher, dass er sogar über Aggressionen mancher Schauspieler hinwegschaut.

J. Plötzner: Standen auch Drehtage auf See auf dem Drehplan?

M. Gahr: Ja

J. Plötzner: Sind Sie Seefest?

M. Gahr: Ja, einigermaßen. Ich habe ja im vorigen Jahr in dem neuen "Erkan und Stefan"-Film auf hoher See gedreht. Ich hatte 4 Drehtage (die ich vor Drehbeginn gut lernte) und 16 Tage lang ging diese wunderbare Reise auf dem nördlichen Polarmeer. Kurz vorm Nordkap hatten wir Seestärke 12 und alles reiherte, auch der Kameramann, aber ich nicht. Übrigens bin ich unendlich dankbar, dass mir meine geistigen Helfer diese Reise schenkten! Ich fand das so unendlich schön auf der MS-Albatros. Als Sie vorhin fragten: Wo waren Sie am liebsten?- da hätte ich zu gern geantwortet: auf der MS-Albatros. Ein Abenteuer! Nie hätte ich mit diese teure Reise leisten können.

J. Plötzner: Wo haben Sie in der Drehzeit zur Küstenwache gewohnt?

M. Gahr: In Timmendorfer Strand, sehr schön.

J. Plötzner: Wie finden Sie Neustadt und die Ostsee?

M. Gahr: Ganz wunderbar! Ich bin oft nach Dreh in Neustadt geblieben und habe am Hafen gegessen.

J. Plötzner: Sehen Sie sich die Folge mit Ihnen im Fernsehen an?

M. Gahr: Natürlich

J. Plötzner: Wie finden Sie das Interesse der Fans an der Serie Küstenwache?

M. Gahr: Sehr schön

J. Plötzner: Wenn Sie noch einmal die Gelegenheit haben für die Küstenwache zu drehen, würden Sie dann wieder zusagen?

 M. Gahr: Unbedingt!

J. Plötzner: Welche Rolle würden Sie als Schauspieler gerne noch einmal verkörpern?

M. Gahr: Ich w+rde gern in einer Serie einen liebenswerten gemütlichen Großvater verkörpern.

J. Plötzner: Ich bedanke ich mich ganz herzlich für dieses tolle Interview und wünsche Ihnen auch im Namen der KüWa Fans noch viele gute Rollen. Wir freuen uns auf Sie bald bei der Küstenwache wieder zu sehen.

M. Gahr: DANKE! für diese lieben Worte.

Interview stammt aus Oktober 2006